Institut für absolute Gegenwart//Zoff im Vampirschloss der Pop-Linken

Der „progressive“ Club Institut für Zukunft hat Probleme – auch finanziell. Zum Glück, denn diese „existentielle Notlage“, sprich: die Sorge um die eigene ökonomische Zukunft, hilft nicht darüber zu sprechen, dass man den Gästen und sich selbst „irgendwas mit future“ andreht, was noch vor Jahren im Kohlrabizirkus selbst als „absolute Gegenwart“ kritisiert wurde. Wirklich interessant ist diese Misere deshalb, weil sie in nuce die Dynamik der Poplinken zeigt, die es auf eine Politisierung der Kultur abgesehen hatte, bei der Kulturalisierung der Politik landete und nun im Zoff von Vertreter*innen einzelner Communities endet. Interessant auch, weil Kommentare, wie jüngst in der Jungle World, bei allem kritischen Gestus nur das Einverständnis mit den Vertreter*innen jenes Geschäfts mit dem Fortschritt zelebrieren.

Kurze Rekapitulation: Nachdem sich das Institut für Zukunft in diesem Jahr großer Teile seines eigenen Secu-Teams entledigt hat und diese dagegen gestreikt haben, war der Betrieb in aller Munde. Nicht nur darüber, wie es dazu kam, herrschte Uneinigkeit in der Szene und so ging der Club in Vorwärtsverteidigung mit einem „Report“ nach außen. Darin werden u.a. der Umgang mit Definitionsmacht, Vorwürfen zu queer- und transfeindlicher Diskriminierung, Streit rund um die eigene Position zum Nahostkonflikt und den Umgang mit Vorwürfen der kultureller Aneignung abgehandelt. Bezeichnend ist, dass alle diese Momente die eigenen Versuche einer Repräsentation von „Marginalisierten“ Gruppen widerspiegeln und gleichzeitig von stetig steigendem Konkurrenzdruck und Zwist innerhalb der eigenen „Community“ zollen.

Dieser Report sei ein „Schritt nach vorne“, heißt es in „Institut sucht Zukunft“, abgedruckt in der Jungle World 24.8.2023; problematisch aber sei dann doch, wie man bei einer Veranstaltung 2021 im Leipziger Club einer Besucher*in ihr „Pali-Tuch“ – nach einem, in den Worten des Reports, „wertschätzende[n] Gespräch“ – lies und auch jetzt findet, die Sache mit dem Nahostkonflikt ist eh „hochkomplex“. Problematisch, aber kein Beinbruch und so schließen Buske und Ramczik in Sandwich-Manier, dass das IfZ bislang „ein Freiraum für queere Menschen sowie für alle, die von Antifeminismus, Rassismus und Antisemitismus betroffen sind [war]. Es ist ein Ort der Solidarität, der Kunst und der zwischenmenschlichen Begegnungen.“ Und das solle doch bitte – trotz der Komplexitätchen – auch so bleiben.

Ein Stück zu gelebter „Solidarität“ aus Buskes und Ramcziks „Freiraumim Report des IfZ bzw. zur Entgrenzung von „Definitionsmacht“: Während einer Silvesterparty wurde eine „bedrohlich wahrgenommene“ FLINTA aus dem Club geworfen, weil andere den Raum nicht mit ihr „teilen“ wollten. Den konkreten Grund für die Bedrohlichkeit erfährt man aus dem Papier leider nicht: Kontaktschuld! Die Person soll sich nämlich in einem Umfeld zusammen mit sogenanten „TERFS“ bewegen, was für „trans exclusionary radical feminists“ steht. Über das Mittel der „Schichtleitungs-Secu“ erfährt man dann aber wieder etwas im Report: „Definitionsmacht“. Doch dieses „Konzept konnten, wie sich später herausstellte, nicht alle damaligen IfZ Secus mittragen, oder waren damit nicht vertraut.“ Denn diese sahen wohl eher einen Freibrief darin und stellten den „Rauswurf in Frage“. In der Nachbesprechung eskalierte der Streit zwischen den Secus – gegenüber der „Schichtleitungs-Secu“ soll es zu „transfeindlichen Äußerungen und unfairen Forderungen und Konsequenzen gegenüber der Schichtleitungs-Secu“ gekommen sein und „queerfeindliche Haltungen“ seien sichtbar geworden. Ein „moderierter Prozess“ führte nicht zu einer Schlichtung, woraufhin das „Büro“ des Clubs einen „Strukturwechsel“ innerhalb der Secu forderte, nämlich die Ersetzung durch ein „“FLINTA* & Ally” Konzept“. Die befristeten Verträge der Secus wurden nicht verlängert. „Die Idee war, dass sobald das Konzept steht, alle prüfen können ob sie dahinter stehen können und sich dann in einem Bewerbungsverfahren, welches auch von Queers “überprüft” wird, neu bewerben können.“ Darauf reagierten Teile der Secu – darunter ebenfalls Queers – mit einem Statement samt Streikankündigung zum IfZ-Geburtstagswochenende. Dazu heißt wieder im Report: „Während einige der Forderungen der Secu nachvollziehbar und berechtigt sind, zum Beispiel die befristeten Arbeitsverträge und geringe Bezahlung, erschien der Zeitpunkt dieses Arbeitskampfes als unpassend und hat damit abgelenkt von den Bedürfnissen und Forderungen von betroffenen Queers im Club.“ Der Streik konnte durch Mithilfe von anderen Clubs gebrochen werden und es „brauchte mehrfach externe Moderationshilfe sowie viele Einzelgespräche, um die durch den Streik aufgekommenen Irritationen aufzulösen.“ Tragisch, aber „[w]ürden wir das wieder so machen? Ja. Es ist wichtig sich hinter marginalisierte Gruppen und Einzelpersonen zu stellen und notfalls zu deren Schutz wichtige IfZ Grundregeln, wie die AG Autonomie, auszuhebeln.“ Nichts davon ist ausgedacht, wenig davon ist neu und selbst das kam nicht von heute auf morgen.

So richtig der Kampf gegen Diskriminierung ist – was passiert hier? Man misst das eigene Umfeld an einem Konzept, das inhaltlich abseits von “FLINTA* & Ally” nicht gefüllt ist. Für die Einstellung wiederum vertreten dann sogenannte Vertreter*innen eine Position – in diesem Fall einzelne Queers -, die gemeinsam gar nicht mehr gefunden werden kann; weil die jeweiligen Identitäten so voneinander getrennt verhandelt werden, dass man höchstens noch als Ally sich gesellen kann, was wieder erst von den jeweiligen Vertreter*innen goutiert werden muss. Nichts ist durch ein Kollektiv, das auf einen neuen Universalismus hinaus will, gedeckt, sondern wird isoliert montiert und von den Vertreter*innen repräsentiert. Sie vertreten qua Identität, kein Rat oder ähnliches hat sie gewählt. Wie sie für ihre Identität sprechen, so machen es die anderen für ihre, die Konkurrenz zwischen Vertreter*innen ist gewiss.Wer aber soll in dieser Logik über sie entscheiden können?

Das ist kein Problem nur eines neuen Türkonzepts, sondern Produkt einer seit Jahren etablierten Art der Auseinandersetzung, die ungewollt auch zwischen den „Communities“ zu Konkurrenz und Angst führt. Hinter dem Rücken setzt sich das Identitätslogik nicht nur durch, sondern wird zementiert. Auch In der jüngst veröffentlichten Auflösungserklärung des KreV, einer „kultur-politischen Gruppe“, die über viele Jahre das „politische Aushängeschild“ des IfZ war, beklagt man eine vor Entwicklung hin zu „identitäre[n] Auflösung von Konflikten anhand von Sprechorten und zulasten von politischen Argumenten“.

Dabei war dieser Triumph des Identitätsdenken nicht von Anfang an gesetzt. Zumindest holte man sich im IfZ nicht nur mehrfach Kritiker*innen dessen ins Haus, sondern schmückte sich insbesondere mit Autoren wie Mark Fisher. Ein Jahr nach Eröffnung des Clubs wurde in Kooperation mit dem About blank in Berlin u.a. vom KreV eine Reihe mit dem Titel „Absolute Gegenwart“ veranstaltet, bei der Fisher der prominenteste Gast war. Zusammen wollte man diskutieren, was man als Linke einer gesellschaftlichen Zeit entgegenhalten kann, die Vergangenheit und Zukunft zur bloßen Verlängerung der Gegenwart zusammenschrumpfen lässt und jegliche Substanzielle Veränderung unterminiert. Liest man nun einen der bekanntesten Texte von Fisher über Tendenzen innerhalb der Linken, die einer Aufsprengung der Zeit für die Erkämpfung einer ganz anderen Gesellschaft im Wege stehen, erscheint vieles unheimlich vertraut.

Der kurze Text aus dem Jahr 2013 heißt „Exiting the Vampire Castle“, in der deutschen Übersetzung „Raus aus dem Vampirschloss“ erschienen in „K-punk“ bei Edition Tiamat und wendet sich gegen eine Popkultur, die bestimmt ist von einer „trübgesichtigen, identitären Frömmelei“. Diese verschlage die Kritik der Klassengesellschaft, erzeuge eine Omnipräsenz von „Schuld und Angst“ und demoralisiere. Fisher bestimmt ein Hauptmoment dieses Produktionsverhältnis von Schuld als „Vampirschloss“: „Man wird angetrieben von dem priesterlichen Wunsch danach, zu exkommunizieren und zu verurteilen, dem akademisch-pedantischen Begehren, der erste zu sein, der einen Fehler entdeckt und der Hipster-Lust dazuzugehören. Wenn man das Vampirschloss angreift, besteht die Gefahr, dass es so aussieht – und man wird alles dafür tun, damit dieser Eindruck entsteht-, als ob man auch den Kampf gegen Rassismus, Sexismus und Heterosexismus attackiert. Aber das Vampierschloss ist nicht der einzig legitime Ausdruck dieser Kämpfer, sondern man muss es als bürgerlich-liberale Perversion und Aneignung der Energie dieser Kämpfe verstehen. Das Vampirschloss wurde in dem Moment geboren, als der Kampf darum, nicht durch Identitätskategorien definiert zu werden, in die Suche nach „Identitäten“ umschlug, die von dem bürgerlichen, großen Anderen anerkannt werden.“ Nichts spricht für Fisher gegen die Erhellung blinder Flecken, die aus der je eigenen Subjektivierung resultieren. „Doch anstatt für eine Welt zu kämpfen, in der alle von Identitätszuschreibungen befreit sind, möchte das Vampirschloss die Leute wieder in Identitäten hineinzwängen, wo sie für immer den Regeln der herrschenden Macht unterworfen sind, wo ihr Selbstbewusstsein verkümmert und sie aufgrund einer solipsistischen Logik isoliert werden, die darauf beharrt, dass wir uns nicht verstehen, wenn wir nicht zur selben Identitätsgruppe gehören.“ Dagegen fordert der im IfZ vormals beliebte Mark Fisher: „Unser Kampf muss auf die Konstruktion einer neuen und überraschenden Welt zielen, nicht auf die Erhaltung von durch das das Kapital geformten und verzerrten Identitäten.“

In dem sich der politische Horizont in der Repräsentation von Marginalisierten, und die Diskriminierungssensibilität – gegen die per se nichts spricht – beschränkt, wird der Club sicherlich Fortschritte machen. Daher auch das verkappte Einverständnis – mit Abstrichen in der Israelsolidarität – mit dem Geschehen in diesem Freiraum seitens Buske und Ramczik. Es eint ein geschäftstüchtiger Begriff des Fortschritts, gegen den einmal gewendet wurde: „Alles schreitet fort in dem Ganzen, nur bis heute das Ganze nicht.“ (Adorno) Solange demzufolge aber nicht auf einen neuen Universalismus gedrängt wird, wird auch der Zoff im Zirkus weiter gehen, die Angst und der Konkurrenzdruck sich steigern und Schuld wird akkumuliert werden. So liegt eine Zukunft, die sich substantiell von der Gegenwart unterscheidet – jenseits von Identitätsdenken und ungelebtem Leben-, weiterhin vergraben und das sogenannte IfZ bleibt was seit langem ist: ein Institut für absolute Gegenwart und Vampirschloss der Poplinken.